Fussnoten

Fussnote 3 – Kommunikationstechnologie

These

Das Internet ist die Kommunikationstechnologie der nächsten Gesellschaft. Als technische Infrastruktur steigert es die Konnektivität zwischen Menschen, Maschinen und Dingen.

Beobachtungen

Mit Blick auf das Mediensystem der nächsten Gesellschaft unterscheiden wir zwischen Kommunikationstechnologien und Kommunikationsmedien. Unter Kommunikationstechnologien subsumieren wir die technische Materialität von Kommunikation (Informationstechnologie im Sinne der Medienwissenschaft und Verbreitungstechnologie im Sinne der Systemtheorie). Bezüglich dem Leitmedium Computer verstehen wir unter Kommunikationstechnologie ein computergestütztes Anwendungssystem (Hardware und Software), das auf die Erfassung, Speicherung und Verarbeitung von Daten sowie auf deren störungsfreie Verbreitung optimiert ist. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass bei der Rede von Anwendungssystem nicht ein System im Sinne autopoietischer Systeme (soziale Systeme), sondern im Sinne allopoietischer Systeme (Maschinen) gemeint ist.

Im Anschluss an Manuel Castells können wir die Kommunikationstechnologie der nächsten Gesellschaft auch als deren zentrale Infrastruktur bezeichnen. In «Communication Power» schreibt er: «A network society is a society whose social structure is made around networks activated by microelectronics-based, digitally processed information and communication technologies» (2009: 24). Wir nennen diese Infrastruktur das Internet.

˅ Informations- und Verbreitungstechnologien

Medienwissenschaft und Systemtheorie arbeiten mit unterschiedlichen Kommunikationsbegriffen und stellen diese auch auf ein unterschiedliches Verständnis von Technologie ab. In der Medienwissenschaft dominierte lange Zeit das von Claude E. Shannon und Warren Weaver entwickelte Sender-Empfänger-Modell, das auf eine möglichst störungsfreie Übertragung von Signalen zwischen einem Sender und Empfänger optimiert ist.

Aus systemtheoretischer Sicht kritisiert Niklas Luhmann an diesem Ansatz namentlich die Metapher der «Übertragung», die er für die Modellierung von Kommunikation als unbrauchbar hält. Dafür gibt er in «Soziale Systeme» mehrere Gründe an (vgl. 2018a: 193ff): Erstens gibt der Sender an den Empfänger keine Information weiter und verliert sie dadurch selbst. Information wird vielmehr multipliziert und dabei gleichzeitig modifiziert. Zweitens lenkt das Sender-Empfänger-Modell den Fokus auf die Mitteilung und damit auf den Sender. Dieser macht aber nicht mehr als eine «Anregung». Damit Kommunikation zustande kommt, muss der Empfänger diese Anregung verstehen und darauf reagieren können. Erst dann kann von Kommunikation als kleinste Einheit eines sozialen Systems die Rede sein. Drittens handelt es sich gemäss der Systemtheorie bei Sender und Empfänger um psychische Systeme, das heisst um operativ geschlossene, selbstreferentielle Systeme. Eine mitgeteilte Information kann deshalb für Sender wie Empfänger gänzlich unterschiedliche Bedeutungen haben. Und viertens suggeriert das Sender-Empfänger-Modell, dass Kommunikation ein zweiteiliger Akt ist, der aus Senden und Empfangen besteht. Nach Luhmann aber charakterisiert sich die Einheit der Kommunikation aus drei Komponenten, nämlich der Synthese der Selektion von Information, Mitteilung und Verstehen.

Luhmann lässt deshalb die Metapher der «Übertragung» zugunsten eines Kommunikationsbegriffs fallen, der das Verstehen ins Zentrum rückt. Denn Kommunikation kommt – wie erwähnt – erst durch das Verstehen der Differenz von Information (Thema, Inhalt) und Mitteilung (kommunikative Handlung) zustande: «Im Unterschied zu blosser Wahrnehmung von informativen Ereignissen kommt Kommunikation nur dadurch zustande, das Ego [gemeint ist der Adressat, Anm. CMS] zwei Selektionen unterscheiden und diese Differenz seinerseits handhaben kann. Der Einbau dieser Differenz macht Kommunikation erst zur Kommunikation, zu einem Sonderfall der Informationsverarbeitung schlechthin» (2018a: 198). Und in «Organisation und Entscheidung» präzisiert er mit Blick auf Computer: «Natürlich können Computersysteme miteinander vernetzt werden und wechselseitig ihre Arbeitsergebnisse in Form von ‹Daten› übertragen. Aber gerade das ist nicht die eigentliche Leistung der Kommunikation. Vielmehr leistet die Kommunikation eine Synthese von Information, Mitteilung und Verstehen auf Basis einer Unsicherheit verdrängenden Sinnkonstruktion, deren mangelnde Fundierung in physischen, chemischen und organischen Realitäten dadurch kompensiert werden kann, dass jede Kommunikation, wenn verstanden, mit ja oder mit nein beantwortet, also angenommen oder abgelehnt werden kann nach Massgabe von Überzeugungsmitteln, die im sozialen System selbst aktiviert werden können» (2011: 377).

Damit Luhmann Kommunikation als drei Akte modellieren kann, muss zwischen Verbreitungsmedien und Verbreitungstechnologien differenzieren. In seinem Buch «Die Realität der Massenmedien» trifft er deshalb folgende Unterscheidung: «Mit dem Begriff der Massenmedien sollen im folgenden alle Einrichtungen der Gesellschaft erfasst werden, die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der Vervielfältigung bedienen» (1996: 10). Verbreitungstechnologie ist also immer nur Mittel zum Zweck von Kommunikation. Zu ihnen zählen analoge und digitale Technologien wie Schrift, Druck, Funk und Computer. Sie ermöglichen es, visuelle und auditive Nachrichten in Form von technisch verbreiteten Zeichen (Schrift, Druck) und Signalen (Funk, Computer) unabhängig von Raum und Zeit einer Vielzahl von Adressaten zugänglich zu machen.

Durch die Zwischenschaltung von Verbreitungstechnologien kann in klassischen Massenmedien (Zeitung, Zeitschriften, Radio, Kino, Fernsehen) keine Interaktion unter Anwesenden stattfinden (vgl. 1996: 11). Erst mit dem Leitmedium Computer wurden technisch und medial die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die durch Verbreitungstechnologien bedingte Kontaktunterbrechung rückgängig gemacht werden konnte. Deshalb wollen wir mit Blick auf das Internet nicht von Verbreitungs-, sondern von Kommunikationstechnologien sprechen. Luhmann selbst hat diesen Begriff in «Gesellschaft der Gesellschaft» eingeführt: «Auch gerade die modernen elektronischen Kommunikationstechnologien [Hervorhebung CMS] beruhen auf einer klaren Trennung der technischen Netzwerke von der Information und damit von der kulturellen Semantik, die mit ihrer Hilfe kommuniziert wird» (2015: 522).

Im Kontext der Verbreitung von mitgeteilten Informationen spricht Luhmann von Verbreitungsmedien: «Von Verbreitungsmedien wollen wir sprechen, wenn es um die Reichweite sozialer Redundanz geht. Verbreitungsmedien bestimmen und erweitern den Empfängerkreis einer Kommunikation. In dem Masse, in dem dieselbe Information verbreitet wird, wird Information in Redundanz verwandelt» (2015: 202). Information teilt immer etwas Neues mit und Redundanz bewahrt Bekanntes auf. Informationen sind deshalb die Treiber der klassischen Massenmedien und Redundanzen bilden die Basis des sozialen Gedächtnisses einer Gesellschaft.

Psychische und soziale Systeme sind operativ geschlossene und gleichzeitig kognitiv offene Systeme. Sie operieren nach ihrer je eigenen Logik. Die einzige Brücke, die zwischen psychischen und sozialen Systemen besteht, ist die Sprache: «Wie leicht erkennbar, wird die regelmässige strukturelle Kopplung von Bewusstseinssystemen und Kommunikationssystemen durch Sprache möglich» (2015: 108). Und auf Sprache wiederum basieren die Verbreitungsmedien Schrift, Buchdruck, elektronische und digitale Medien. Das heisst, indem Bewusstseinssysteme als an Kommunikation beteiligte Personen eine Mitteilung schrieben, drucken, funken oder digitalisieren, bedienen sie sich auch der entsprechenden Verbreitungs- bzw. Kommunikationstechnologien.

Medienwissenschaft und Systemtheorie konvergieren im Begriff der Informations- und Kommunikationstechnologie insofern, als beide die technische Materialität von Kommunikation im Sinne der Erfassung, Speicherung und Verarbeitung von Nachrichten sowie deren störungsfreie Verbreitung beschreiben. Während die Medienwissenschaft in dieser Beschreibung allerdings Technologie und Kommunikation gleichsetzt, bleiben Verbreitungs- und Kommunikationstechnologien für die Systemtheorie bloss Mittel zum Zweck.

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Das Internet besteht aus einem weltweiten Verbund von Computernetzwerken, in denen die einzelnen Computer als Kommunikationstechnologie fungieren. Dazu müssen sie als triviale Maschinen einen Input möglichst unverfälscht als Output weitergeben. Möglich machen dies normierte Netzwerkprotokolle, die für den korrekten Austausch der Daten verantwortlich sind. Die Protokolle bestehen aus strikt gekoppelten Regeln, die die Verarbeitungsprozesse in den Computern definieren.

Als zentrale Kommunikationstechnologie und dezentrale Infrastruktur der nächsten Gesellschaft schafft das Internet starke Abhängigkeiten zwischen sozialen Systemen als Kommunikationssystemen und den technisch bedingten Voraussetzungen aus ihren Umwelten.

So wie das Schienennetz der Eisenbahn, das Zustellnetz der Post und das Funknetz der Telekomanbieter hat das Netz der Netze, das Internet, keinen Nutzen an und für sich. Erst die Dienste, die auf diesen Netzwerken angeboten werden, und die Netzwerkeffekte, die dabei zum Tragen kommen, bieten für die Nutzer im Einzelnen und für die Gesellschaft im Allgemeinen einen Mehrwert. Im Fall des Internets sind dies Kommunikationsmedien wie E-Mail, World Wide Web, Web 2.0, Social Media und Apps. Gegenwärtig hat das Internet an die 5 Milliarden Nutzer.

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